Blogbeiträge, die nicht dem Bereich Presse zuzuordnen sind

Sechs Frösche, Holzschachtel, Gips. H 2,5 cm; 7,9 x 7,1 cm, 2009 Foto: Ekaterina Skerleva

Sechs Frösche, Holzschachtel, Gips. H 2,5 cm; 7,9 x 7,1 cm, 2009
Foto: Ekaterina Skerleva

Luise Loué: Dieses kleine Kästchen mit den sechs Fröschen kam als kleines Paket per Post zu mir. Auf dem Zettel steht: „Es heißt, man muss viele Frösche küssen, bis der Prinz erscheint. Hier mal sechs Stück – danach kannst Du’s ja noch mal mit mir probieren.“

Ich hatte gerade eine anstrengende Trennung hinter mir – nach einer sehr bewegenden und extremen Liebe. Mein Interesse an einer neuen Beziehung ging gleich null.

„Mr. T.“ war der Nachbar einer sehr guten Freundin und ich kannte ihn schon seit ein paar Jahren flüchtig. Wir trafen uns wieder auf einem Fest und verstanden uns auf Anhieb. Er wollte für mich ein Wiedereingliederungsprogramm starten und lud mich auf die Abschlussparty einer Kunstakademie ein. Es wurde ein großartiger Abend. Alles stimmte: Die Musik war grandios, wir tanzten und lachten bis in den Morgen. Ich erzählte ihm von meinem anstehenden London-Trip. Wenige Tage darauf kam sein Anruf: „Du, ich hab mir auch einen Flug gebucht.“ Normalerweise hätte ich dies als übergriffig und unangenehm empfunden, aber hier freute es mich einfach.

Wir verbrachten vier durch und durch tolle Tage in London.

Ein Zufallsglück, das einem manchmal im Leben widerfährt: Man trifft einen Menschen und weiß so viel miteinander anzufangen, dass die Gespräche, die gegenseitige Anregung und der gemeinsame Spaß nicht enden. Man befindet sich in einem Flow, fühlt sich verstanden und gesehen, findet die Bestätigung des eigenen Selbst – „Es gibt ja noch so jemanden! Ich bin nicht allein!“ Wie heilsam.

Aber ich verliebte mich nicht in ihn.

Anschließend hatten wir einen sehr humorvollen Austausch per E-Mail und Post. Es kamen immer wieder kleine Briefe und Geschenke von ihm, unter anderem diese kleine Schachtel. Die darin enthaltene Aufforderung habe ich komplett verdrängt und ignoriert, ich wollte nur Freundschaft. Ein paar Monate später kollidierten die unterschiedlichen Erwartungen. Vorbei war das Wohlgefühl und wir brachen den Kontakt ab.

Liebesbrief, Füller auf rosa Briefpapier. 18 x 13,5 cm, 1988 Foto: Ekaterina Skerleva

Liebesbrief, Füller auf rosa Briefpapier. 18 x 13,5 cm, 1988
Foto: Ekaterina Skerleva

Luise Loué: Mein erster Liebesbrief meines Lebens

„PS: Du bist bis jetzt meine größte Liebe“ schrieb Markus, 12 Jahre alt.

„Ich hasse Dich“, Autor und Geschichte unbekannt, Nordseeinsel Sylt, Fotografie. Entdeckt von Luise Roué Oktober 2014

„Ich hasse Dich“, Autor und Geschichte unbekannt, Nordseeinsel Sylt, Fotografie.
Entdeckt von Luise Loué, Oktober 2014

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Auf die Straße gemalt, Schondorf am Ammersee, Seepromenade

Auf die Straße gemalt, Schondorf am Ammersee, Seepromenade

Entdeckt von Luise Loué: Im November 2014 registrierte ich den etwa 20 Meter langen Schriftzug an der Uferpromenade.

Ich schmiss einen Zettel mit meiner Telefonnummer in die Briefkästen der umliegenden Häuser, um etwas was über die Hintergründe zu erfahren:

An wen war die Liebeserklärung gerichtet? Und warum wohl in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vor die Haustüre gemalt?

Eine Woche später erhielt ich eine SMS: „Ich bin der Empfänger des Werkes“.

Wir telefonierten: „Wenn Sie mir eine gewisse Anonymität (und ein Belegexemplar des Buches) zusichern, kann ich Sie gerne mit der Künstlerin bekannt machen …“

Ich wartete gespannt.

Zwei Monate später rief ich wieder an.

Inzwischen wollte der Empfänger nichts mehr preisgeben: „Ich kann dazu nichts mehr sagen.“

Was war wohl in der Zwischenzeit passiert?

Die Schrift ist inzwischen – nach einem Jahr – verblasst, doch immer noch sichtbar …

Korsage, schwarzer Satinstoff, handgenäht. Größe 38, 2008 Foto: Ekaterina Skerleva

Korsage, schwarzer Satinstoff, handgenäht. Größe 38, 2008
Foto: Ekaterina Skerleva

Sibylle, 33 Jahre: Ich hatte die Korsage in einem mehrtägigen Workshop komplett selbst entworfen und genäht. Maßgeschneidert auf meinen Körper, sie saß perfekt.

Sobald von ihm mit den langen Schnüren festgezurrt, konnte ich nur schwach atmen, mich kaum mehr bewegen und mich selbst nicht aus ihr befreien. Das war ein enormer Reiz, mit dem wir spielten …

Zehn Jahre nach unserer Trennung, seit der wir uns jährlich nur eine E-Mail geschrieben haben mit „Wie geht’s?“ und kurzen Fakten – Job, Beziehungsstatus, Gesundheit – kam folgende Nachricht von ihm:

„Hast Du noch das schwarze Korsett? Das letzte Mal, als ich es sah, steckte eine nackige Göttin drin. Du.“

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Tomate, getrocknet 2011 bis 2015. 3,1 x 2 cm, 2015 Foto: Edwin Semke

Edwin Semke, 56 Jahre: „Die Frucht war ein Herbstgeschenk. Die Lust, den gustatorischen Genuss zu teilen, mag der Anstoß gewesen sein, sie mir zu schicken.

Die Tomate kam mit der Post: makellos, reif, wächsern glänzend und klein. Ich glaube, diese Sorte heißt Cocktailtomaten.

Ich bin kein Gourmet, am Geschmack interessiert mich ausschließlich der Geruch. Außerdem das Aussehen. Ich habe die Tomate liegen lassen und beobachtete die Verwandlung. Nach einigen Monaten wurde daraus Dörrgemüse, die Farbe wechselte von Dunkelrot ins Violett, wie eine Dörrpflaume. In Hundert Jahre Einsamkeit schrumpft eine Großmutter auf die Größe einer Dörrpflaume – doch zu diesem Zeitpunkt kannte ich den Roman von Gabriel García Márquez noch nicht.

Die echte Metamorphose ergab sich aber erst nach etwa einem Jahr: Sie verwandelte sich in eine labyrinthische Gestalt, so zerklüftet, wie nur die Natur sein kann, so schön, wie manche Kunst.

Ich bin ein visueller Genießer, Bilder sagen mir mehr als Töne, Geschmacksnoten oder haptische Eindrücke. Ich finde die Tomate jetzt richtig schön und habe es nicht bereut, sie nicht einem sekundenschnellen Genuss geopfert zu haben. Kann man Geschenke aufbewahren und das gleiche Gefühl immer wieder abrufen wie im Augenblick des Beschenktwerdens? Ich glaube nicht. Erstens verändern wir uns selbst, zweitens wandelt sich auch das Geschenk. Alles verändert sich. Meine Tomate, die jetzt bald vier Jahre alt ist, beweist es aufs Schönste.“

T-Shirt, Aufnäher „LUO“. Größe M, 1996 Foto: Ekaterina Skerleva

T-Shirt, Aufnäher „LUO“. Größe M, 1996
Foto: Ekaterina Skerleva

Silke, 39 Jahre: Questi & Aggressively, Luo & Koya … die Spitznamen, die wir uns während unserer acht Jahre dauernden besten Freundschaft im Alter von 12 bis 20 gaben.

Wir liebten uns über alles und konnten nicht ohne einander sein.

„Liebe beste Freundin! Heute ist schon wieder Freitag und es ist echt (das stimmt vollkommen) keine Minute vergangen, in der ich nicht an Dich gedacht habe. Gestern waren wir in Venedig und ich habe mir ausgemalt, wie es wäre, wenn wir dort eine Woche eine Wohnung hätten und tun und lassen könnten, was wir wollten. Ach, das wäre so schön! In zweieinhalb Jahren sind wir endlich 18 und können allein in den Urlaub fahren! Ich freue mich so unendlich auf Dich! Ich will Dir einfach alles zeigen und erzählen und Deine Meinung wissen. Ich freue mich schon so wahnsinnig auf Dienstag – das wird so schön. Da setzen wir uns dann auf eine Wiese und essen und erzählen. Ich würde Dir schon so gerne sagen, was ich Dir zu Ostern schenke. Ich bin so eifersüchtig, weil Du der Christine den süßen Osterhasen geschenkt hast. So was Liebes würde ich nur DIR schenken, da werde ich dann immer misstrauisch und zweifle daran, ob Du mich auch wirklich so gern magst, wie ich Dich. Dann bin ich traurig und fange an zu grübeln und vermisse Dich wieder ganz stark. Also, denk mal nach und erkläre mir das, okay!

Deine in inniger Liebe an Dich denkende Luo“

Zu Ostern bekam ich dieses T-Shirt mit ihrem aufgenähten Namen – „Damit Du noch mehr an mich denkst!“

Heute, 25 Jahre später und 40 Jahre alt, finde ich die beiden Sätze in ihrer ganzen Schlichtheit wunderschön. Das vollkommene Glück der Kindheit und Jugend:

„Ich will Dir einfach alles zeigen und erzählen und Deine Meinung wissen.“

„Da setzen wir uns dann auf eine Wiese und essen und erzählen.“

Ja, das ist es!

Liebe = Wiese, Essen, Erzählen und Zuhören

Fotobuch "Lina L. – Ein Leben in Bildern"

Fotobuch „Lina L. – Ein Leben in Bildern“

Edwin Semke, 56: „Im Krieg lebte meine Mutter im Alter von zehn bis dreizehn Jahren bei Potsdam. Durch die Kriegswirren strandeten sie und ihre Mutter in Niemegk, einer Stadt im Süden des Landkreises Potsdam-Mittelmark in Brandenburg. Es war kurioserweise eine glückliche Zeit. Der Grund dafür war ihre Freundschaft mit Ursula, einem Mädchen aus der besagten Stadt.

Im Sommer 1945 wurden die beiden getrennt und wussten Jahrzehnte nichts von einander. Meine Mutter besuchte zwar die Stadt, damals noch DDR, und suchte nach Ursula, doch es hieß, sie wäre verstorben. Nach der Wiedervereinigung und dem Aufkommen des Internets recherchierten Kinder von Ursula und stießen auf eine Meldung, Lina L. wäre 75 geworden.

Meiner Mutter war zu der Zeit bereits ernsthaft krank und lag im Krankenhaus, die Lage war schwierig.

Etwa eine Woche vor ihrem Tod haben sich Ursula und meine Mutter verabredet, sie trafen sich im Krankenhaus zum ersten und letzten Mal.

Nach dem Tod unserer Mutter haben wir viele Fotos von ihr eingescannt und machten Ursula ein Geschenk – das Leben von Lina L. in Bildern. Das Album schickten wir per Post, Ursula war sehr gerührt und blieb uns bis zu ihrem eigenen Tod sehr verbunden.“

Die langen Strahlen der Liebe

Wolfgang L., 60 J.: „Hildegund trat mit den Märchen in mein Leben, mit Hölderlins Hyperion und Schicksalslied.

Hildegund … Wunderschön, konnte Märchen erzählen, spielen und leben. Sie kam aus dem Füssener Schloss- und Seenland und bezauberte mich. Ich holte meine Schätze heraus und zeigte sie ihr. Nach und nach stiegen wir immer tiefer in eine Innigkeit, in eine Leidenschaft, Glut und Hingabe, in der wir die Welt nicht vergaßen, aber ihr nicht mehr gerecht wurden. Es gab nur uns und diese Leidenschaft, in einem Brief, in vielen heimlichen Telefonaten, Märchenabenden und nächtlich heimlichen Treffen.

Das Bild hat sie uns gemalt und einen Brief dazu geschrieben, wie sie das konnte und ich mir wünschte … die Umarmung… Ja, so waren wir … wir … mitten in der Glut hörte es auf …

„Mit Dir und mir sei Friede“, schrieb sie …“

Kindliche Liebe zu Gott

„Gottesdienst“, Buntstift und Papier auf Papier, DIN A4

Michaela, 38: „Dieses Bild hat meine Tochter im Alter von vier Jahren gemalt, als wir aus der Messe in ihrer Taufkirche kamen. Es zeigt Jesus und die Hand Gottes oben rechts, die uns beschützt. Davor die Kirchenstühle für die Besucher.“