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Briefe_Projekt Hildchen

Acht Karten, die Hildchen ihrem Geliebten, der sich in Gefangenschaft befand, schrieb. Schreibmaschine / Handschrift auf Papier, 10 x 15 cm. Die erste Karte ist mit dem 22. Juni 1946 datiert, die letzte mit dem 15.4.1948.

 

Ein neues Liebesobjekt – eines in zweierlei Hinsicht!

Ich freue mich heute ganz besonders, das schöne Projekt von Annette (30 Jahre) vorzustellen!

Annette schreibt an einem Buch über ihren Großvater. Grundlage sind ihr neben seinem unveröffentlichten Manuskript die liebevollen Karten, die ihm einst seine Frau Hildchen schriebt, als er sich in Gefangenschaft befand:

„Besonders innige Küsse und ein lieb Gedenken von Deinem Hildchen.“

„Das ist nur eine der vielen rührenden Grußformeln, die am Ende ebenso schöner Nachrichten stehen. Es ist der Abschiedsgruß einer Frau, die jemanden vermisst, die um die gemeinsame Zukunft mit ihrem Geliebten bangt und die ihrem Mann Kraft und Durchhaltevermögen zuspricht.

Die unglaubliche Macht der Worte wird durch die Karten, die diese Nachrichten um die halbe Welt brachten, besonders deutlich. Meine Großmutter gab sie mir eines Tages zusammen mit Fotos in einer kleinen braunen Kiste. Eine Art Heiligtum waren sie mir schon immer. Weil sie uralt sind, weil sie wunderschön geschrieben sind und weil sie mir meine Oma zeigen, wie ich sie nie kennenlernte – als junges Mädchen mit Zukunftsträumen. Heute beschäftige ich mich jedoch mehr mit der Vergangenheit meines Großvaters. Auch er lebt weiter in Worten, obwohl er schon längst tot ist. Ein persönlicher Bericht über seine Zeit in russischer Gefangenschaft, der es einst nicht bis zur Veröffentlichung schaffte, ist für mich zum täglichen Begleiter geworden. Ich habe fest vor, sein Vorhaben doch noch zu Ende zu bringen.

Und so fand auch das Bündel alter vergilbter Briefe wieder den Weg aus der Kiste. „In froher Erwartung sind meine Gedanken stets bei Dir und begleiten Dich auf Deinem Weg“ steht da. „Ich warte auf Dich!“ Die nüchternen Daten und russischen Schriftzeichen auf der Rückseite geraten angesichts so viel Liebe und Sehnsucht glücklicherweise in Vergessenheit.

Die Forschung verrät, dass ein Drittel aller Kriegsgefangenen auf sowjetischem Gebiet starben. Dass ausgerechnet mein Opa überlebte, ist – davon bin ich überzeugt – zu einem großen Teil den Karten zu verdanken. Den Karten mit ihren aufmunternden Worten und der starken Frau dahinter, die mein Opa brauchte, um durch eine schwere Zeit zu kommen. In einem Alltag, der aus Arbeit, die ihn zweimal fast umgebracht hat, mangelhafter Ernährung und Ungewissheit bestand, müssen diese Karten für ihn wie ein Atemzug für einen Ertrinkenden gewesen sein.“

Liebe Annette, Dir weiterhin viel Freude und Mut bei Deinem Projekt, dem ich weiterhin gespannt folgen werde!

Seit auch ihr interessiert, wie sich das Buch weiterentwickelt? – Dem „Projekt Hildchen“ könnt ihr hier folgen.

 

 

Fotobuch "Lina L. – Ein Leben in Bildern"

Fotobuch „Lina L. – Ein Leben in Bildern“

Edwin Semke, 56: „Im Krieg lebte meine Mutter im Alter von zehn bis dreizehn Jahren bei Potsdam. Durch die Kriegswirren strandeten sie und ihre Mutter in Niemegk, einer Stadt im Süden des Landkreises Potsdam-Mittelmark in Brandenburg. Es war kurioserweise eine glückliche Zeit. Der Grund dafür war ihre Freundschaft mit Ursula, einem Mädchen aus der besagten Stadt.

Im Sommer 1945 wurden die beiden getrennt und wussten Jahrzehnte nichts von einander. Meine Mutter besuchte zwar die Stadt, damals noch DDR, und suchte nach Ursula, doch es hieß, sie wäre verstorben. Nach der Wiedervereinigung und dem Aufkommen des Internets recherchierten Kinder von Ursula und stießen auf eine Meldung, Lina L. wäre 75 geworden.

Meiner Mutter war zu der Zeit bereits ernsthaft krank und lag im Krankenhaus, die Lage war schwierig.

Etwa eine Woche vor ihrem Tod haben sich Ursula und meine Mutter verabredet, sie trafen sich im Krankenhaus zum ersten und letzten Mal.

Nach dem Tod unserer Mutter haben wir viele Fotos von ihr eingescannt und machten Ursula ein Geschenk – das Leben von Lina L. in Bildern. Das Album schickten wir per Post, Ursula war sehr gerührt und blieb uns bis zu ihrem eigenen Tod sehr verbunden.“